Ein sicheres Zeichen für das fortschreitende Alter ist die Erinnerung des Hausarztes, dass mal wieder die Vorsorgeuntersuchungen anstehen. Diverse Körperflüssigkeiten wurden gestern schon ins Labor geschickt. Außerdem wurde ein EKG aufgezeichnet. Heute stand die Hautkrebsvorsorge an sowie die Besprechung der Werte.
Um es kurz zu machen: EKG und die Laborwerte sind alle in Ordnung gewesen. Auch wenn ich mit leicht erhöhten Leberwerten gerechnet hatte. Trotzdem scheint meint Körper innerlich fitter zu sein, als es äußerlich den Anschein macht. Zumal ich die letzten zwei Wochen immer wieder einen Anflug der gängigen Herbstkrankheiten hatte und wie das bei mir kurz vor Ausbruch einer Infektion meistens ist, unverhältnismäßig viel geschlafen habe.
Das mir trotz der im Moment wieder extrem angespannten Situation und selbst unter der Begleiterscheinung, dass mir heute morgen auch noch – sorry – kotzübel gewesen ist, mein Humor nicht abhanden kommt, hat mich innerlich wieder ein wenig ruhiger werden lassen und mir gezeigt, wie weit ich in diesem Jahr schon gekommen bin.
Während der Hautkrebsvorsorge begutachtete der Doc also mit seiner Lupe meine Leberflecken Stück für Stück. Vom Kopf über den Oberkörper, linker Arm, rechter Arm, Bauch, Leistengegend, linkes Bein, rechtes Bein, Füße… Also einfach gesagt von oben nach unten. Es erinnerte mich so ein wenig an den Waschablauf in der Pflege. Irgendwie kam mir mit einem unguten Gefühl wie ich da so lag, die Abfolge sehr bekannt vor.
Der Arzt legte also meinen rechten Arm wieder auf die Liege, meinte „Nicht erschrecken.“ und schlug mir die Shorts nach unten.
„Was für ein martialisches Schwert, Herr Thilo! Das hätte ich ihnen gar nicht zugetraut.“ sagte er und schaute mich anerkennungsvoll mit großen Augen an.
Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
„Das hat mir noch niemand gesagt, der mir in die Shorts blickt, aber vielen Dank für das Kompliment.“
Das Lachen muss durch die komplette Praxis zu hören gewesen sein.
Und wir mussten uns beide die Tränen aus den Augen wischen.
Aber auch der Rest meines Astralkörpers blieb ohne Befund. Wir haben dann noch die Familienkrankheiten durchgesprochen. Was aber eher zweitrangig war, da meine beiden Elternteile in der gleichen Praxis sind und zumindest meine Mutter auch bei Dr. Harlfinger direkt. Interessant lediglich die sehr hohe Darmkrebsrate väterlicherseits. Die TK hat mir von sich aus auch schon die Vorsorge ab sofort hierfür kostenlos angeboten. Allerdings konnte ich mich noch nicht aufraffen.
Mit dem dringenden Rat, dem Henriettenstift mal ein wenig auf die Füße zu treten, endete der Arztbesuch für heute.
Da die Mandeln jetzt Ruhe geben, wären diese (OP-Termin 11.11.!) dann zweitrangig.
Ich für meinen Teil, habe vom Warten langsam die Schnauze gestrichen voll. Das hat mich jetzt ein Jahr extra gekostet. Zeitlich hätte das alles in die zweite Jahreshälfte 2014 gepasst. Unser Gesundheitssystem hängt einmal mehr. Zumindest bei den Kassenpatienten. Im Moment kann ich zur Effektivität dieses Systems nur sagen: entweder bringt man sich vorher um oder wartet, bis man keinen Bock mehr auf Depressionen hat. Auf jeden Fall hat man den allergrößten Teil dieser Geschichte mit sich selber auszumachen. Und ganz ehrlich: ich denke eine ambulante Psychotherapie hat ja keine anderen Ziele. Allerdings hätte man die Hilfestellung, nicht alles über sich ganz alleine herausfinden zu müssen. Man wird vielleicht auch mal mit der Nase auf etwas gestoßen.. „Herr Thilo, merken sie was, egal wo sie anfangen, am Ende landen sie immer bei der gleichen Sache“ (Lipperland Gruppentherapie im Januar 2015).
So gesehen war dieses Jahr auch keine Fehlinvestition.
Für mich selber nicht. Für meine Nerven nicht. Und für meine zweite Lebenshälfte wohl auch nicht.
Trotzdem kann ich in meinen Lebenslauf nicht schreiben Jun. 2014 – Dez. 2015 gewartet. Das müssen sich auch einige Leute mal überlegen. Hierzu hatte ich übrigens meinen Hausarzt auch schon befragt. Der auch nur ein wenig hilflos mit den Schultern zucken konnte. „Vielleicht als persönliche Auszeit deklarieren…“
Ach ja. Und auf die Frage, was ich in den 18 Monaten gemacht habe, antworte ich dann bitte was?
Nein, das muss schon realistisch bleiben.
Einerseits, damit ich mich mit der ganzen Story dann auch wohlfühle.
Andererseits, weil meine nähere Vergangenheit relativ umfangreich zu googeln ist und damit ohnehin jedes Märchen auch nur ein eben solches bliebe. Und mir meine Glaubwürdigkeit nehmen würde.
Ich glaube der Ansatz der Lipperländer-Sozialarbeiterin ist nicht nur der wahre, sondern auch der, der am einfachsten zu verkaufen ist. Ihre Worte waren damals: „Was ihnen passiert ist Herr Thilo, passiert ganz vielen anderen Menschen auch, da haben sie sicherlich recht. Aber das passiert im Laufe von vielen, vielen Jahren und manch Rentner musste nicht einstecken, was ihnen in wenigen Jahren widerfahren ist.“
Sicher auch nicht einfach in einen Lebenslauf einzubauen, aber realistisch gesehen wohl die beste Lösung.
Aber ein Schritt nach dem anderen.
Erst einmal im Henri anrufen, ob die mich denn für dieses Jahrzehnt noch eingeplant haben. Dass die Oberärztin die Idee äußerte, ich solle doch erstmal Rente beantragen, stimmt mich hierbei nicht gerade zuversichtlich…
Bei dem ganzen Drumherum hätte ich jetzt beinahe vergessen, Euch noch ein Foto von der „martialischen Schlange“ mitzuliefern.
Auch nach fünfzehn Jahren sorgt also mein Tattoo noch für Gesprächsstoff. Und für den Lacher des Tages. Das ist doch nicht schlecht, oder?
So. und jetzt werde ich mir noch anschauen, wie die Holländer sich nicht für die EM 2016 qualifizieren.
Einen schönen Abend, Euer Tobi